Dating 2.0

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Sie können einem leid tun, die 30 jährigen von heute, denn jemanden zu finden, mit dem man sein Leben teilen möchte, hat sich verändert – es ist schwieriger geworden. Wer allerdings darauf nicht aus ist und sein Selbst unbegrenzt ausleben möchte, der lebt im richtigen Zeitalter.

 

Jede Zeit hat ihre perks und challenges. Wir haben es nur der Diversität unserer DNA zu verdanken, dass wir nicht alle unter verschiedenen Symptomen von Inzest leiden. Als unsere Urgroßmütter einen Mann zwecks Erzeugung von Nachwuchs suchten, da war die Auswahl sehr beschränkt. eDarling gab’s noch nicht. Da war der nette Junge aus dem Nachbarort und die Eltern verstanden sich gut und schon war man verheiratet. 

Der Anspruch war ein anderer. Noch heute gibt es in Asien Stämme, bei denen ganz klar ist, dass der Partner nicht zum eigenen Glück beiträgt, sondern gewählt wird, um Kinder zu zeugen und großzuziehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Auch das ist eine Form von Liebe. 

 

Die Ansprüche haben sich in den seither vergangenen Jahrzehnten gewandelt, denn die Welt wurde weiter. Anstelle des Nachbarortes trat die nächste Stadt auf den Plan – und heute ist die ganze Welt dein Dating-Spielplatz.

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Tinder und Co und wie sie die Welt veränderten

 

Solange Tinder ein Treffpunkt für Schwule war, die auf der Suche nach einer schnellen Nummer ein Profil erstellten, war ja alles gut. Aus einer homosexuellen Verbindung entstehen keine Kinder. Bei Tinder im Urstadium ging es sowieso nur um Sex. Heute gibt es Hinge und OKCupid und Bumble und wie sie alle heißen, zusätzlich zu den unzähligen kostenpflichtigen Anbietern im www.

 

Aber ist das wirklich der Grund dafür, dass es so schwierig geworden ist, einen Langzeitpartner zu finden?

 

Das viel größere Problem scheint zu sein, dass niemand sich mehr verpflichten möchte. Wir sind zu einer Gesellschaft von Individuen geworden, die sich selbst verwirklichen möchten – die wenigen Menschen, die noch Stabilität suchen und eine Familie gründen möchten, tun das meist erst später.

Online-Dating zeigt genau die Herausforderungen, die uns aus Beziehungen bekannt vorkommen und die keiner mag. Es fehlt die Verbindlichkeit. Wir Menschen neigen dazu, das Optimum zu suchen – manche suchen noch heute – denn sich mit den Marotten eines anderen auseinanderzusetzen, ist heute eigentlich nicht mehr notwendig. Man nennt es Decision Fatigue – die neue Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen und dann auch dazu zu stehen.

 

Beziehungslandschaft ändert sich

 

Was wäre wenn…

Die Strukturen sich tatsächlich verändern und wir nicht mehr mit einem Partner ein Kind großziehen, sondern unter Freunden? ‘It takes a village to raise a child’ ist kein blöder Satz, der meint, dass man Kinder vielen Einflüssen aussetzen soll, damit aus ihnen verantwortungsvolle und selbstständig denkende Erwachsene werden. Selbstständig denken ist heute so wichtig wie 1933, wenn nicht wichtiger.

Verantwortungsvoll wird sowieso oft falsch verwendet. Es  geht nicht nur darum, sich verantwortlich zu verhalten gegenüber der Natur und allen Lebewesen auf unserem Planeten, sondern auch Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Das wiederum bedeutet, dass man sich nicht darauf verlässt, dass irgendjemand die eigenen Fehltritte oder Unzulänglichkeiten fixen wird, sondern dass man für seinen Bockmist gerade steht. “ Entschuldigt bitte, dass ich zu spät komme, da war so viel Verkehr” – wird zu “Ich bin zu spät losgefahren, bitte entschuldigt meine Verspätung.” Verantwortung bedeutet, Entscheidungen treffen und sie vertreten.

 

Wir dürfen uns also die Fragen stellen (und viele andere mehr):

 

  • Was ist so gut an einer monogamen Beziehung, dass wir diese Lebensform aufrechterhalten?
  • Welche Bedeutung hat Eifersucht für mich?
  • Ist der Anspruch, den viele Menschen an ihren Partner stellen, nicht total überhöht?

Jargon: Was ist neu?

Breadcrumbing – das ist die Technik, bei der einer der beiden Dating-willigen den anderen hinhält. Es könnte ja ein Mensch da draußen sein, der besser zu mir passt, also halte ich den aktuellen Menschen auf dem Backburner und schaue mich um. Derjenige, der die Breadcrumbs verteilt, meldet sich in unregelmäßigen Abständen und hält die andere Person so in seinem Leben.

 

Ghosting – wenn einfach mitten im Chat eine Person aussteigt, ohne der anderen Person den Grund dafür bekannt zu geben, dann nennt man das Ghosting.

 

Und dann ist da noch das ‘Problem’ mit der Gleichberechtigung. Macht man als Frau den ersten Schritt, schreckt das Alpha-Männchen ab, das die meisten Frauen gerne an ihrer Seite sehen wollen. Beim ersten Date naht der Moment, wo die Rechnung an den Tisch flattert und jetzt sind viele Frauen der Meinung, dass ‘natürlich’ der Mann bezahlt. Hallo?!

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Auch in diesem Jahrhundert wird sich das Dilemma um Beziehung nicht ändern – es verschiebt sich nur. Mal poppt das an die Oberfläche, mal etwas anderes. Wo es früher noch ein absolutes Muss war, für eine Frau einen Mann zu finden, der sie versorgt, erleben wir heute Frauen, die Unterhalt an die Väter ihrer Kinder bezahlen. Eine Langzeitpartnerschaft gehört heute nur noch bei wenigen auf den Wunschzettel – ob das so ist, weil es nicht hip ist oder weil tatsächlich das Bedürfnis nach einer monogamen Langzeitbeziehung gesunken ist, wer weiß das schon? Wir sind nicht mehr so sehr auf die Hilfe eines Partners angewiesen und zeigen deshalb ein anderes Gesicht: Das Antlitz des freieren Homo Sapiens, der seine egoistischen Wünsche über das Zusammenleben mit einem Partner stellt.

Das ist nicht unbedingt schlecht, kann man doch davon ausgehen, dass persönliche Entwicklung am besten funktioniert, wenn man Zeit darin investiert und das ist schwieriger, wenn man einen Partner hat, der Zeit beansprucht.

Allerdings ist auch wahr, dass wir alleine in unserer Entwicklung nur bis zu einem gewissen Punkt gelangen – dann folgt die Auseinandersetzung mit ‘dem anderen’, die uns aufzeigt, wo wir noch wachsen dürfen.

 

Langer Rede kurzer Sinn: Finde jemanden, 

 

  • der weiß, dass man zuerst sich selbst lieben muss, bevor man andere lieben kann
  • der bereit ist, an der Beziehung zu arbeiten
  • Der kompatibel ist, mit dem du die gleichen Werte teilst und die gleichen Ziele

 

Der Rest wird sich finden 🙂

 

Hier noch ein paar Buch-, Podcast-, und Recherche-Empfehlungen:

 

  • ‘8 Gespräche, die jedes Paar führen sollte’ John und Julie Gottman
  • ‘Die sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe’, John Gottman
  • ‘Deeper Dating’, Ken page (englisch)
  • Podcast: https://brenebrown.com/podcast-show/unlocking-us/ englisch
  • ‘Die fünf Sprachen der Liebe’, Gary Chapman –  mach deine eigene Recherche
  • ‘Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens’, Marshall B. Rosenberg
  • ‘Du musst nicht von allen gemocht werden’, Ichiro Kichimi
  • ‘Partnerschaft: Keine Frage des Glücks’ Alain de Botton

 

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